In Ostkanada gibt es an eine ganze Menge Orte, in denen Whale Watching die Hauptattraktion der ganzen Gegend ist. Entsprechend viele Anbieter und Möglichkeiten tun sich auf. Ich möchte deshalb hier kurz meine eigenen Erfahrungen aus dem Urlaub 2010 zusammenfassen, ich hoffe es hilft dem einen oder anderen bei der Planung. Für alle Absätze gilt, dass sich die Infos auf die Zeit zwischen Anfang Mai und Ende Oktober beziehen, was im wesentlichen der normalen Urlaubssaison in Kanada entspricht.
Cape Breton (Nova Scotia)
An der Nordspitze von Nove Scotia befindet sich der Cape Breton National Park, das Meer ist dort eigentlich Atlantik, aber auch der „Eingang“ zum St.-Lawrence-Strom, in den sich viele Wale zum Fressen begeben. Man kann dort mit viel Glück diverse große Walarten treffen. Die eigentliche Attraktion sind aber die Langflossen-Pilotwale (Globicephala melas), die während der ganzen Saison angetroffen werden.
Wer hier zum Whale Watchen geht, kann sich mit ziemlicher Sicherheit die Pilotwale anschauen. Mit recht hoher Wahrscheinlichkeit gibt es auch Atlantische Weißseitendelfine (Lagenorhynchus acutus) und Schweinswale (Phocoena phocoena) zu sehen. Finnwale, Buckelwale, Zwergwale, etc könnte man mit viel Glück sehen, aber sehr wahrscheinlich ist das auf einer organisierten Tour nicht. Dazu sind die Pilotwale einfach zu gut greifbar, so dass diese fast ausschließlich gewatcht werden.
Wegen Touren: in den Orten rund um den Cape Breton NP werden diese wie Sand am Meer von diversen Anbietern angeboten. Da mir das zu viel Trubel war, bin ich nach Bay Saint Lawrence am Nordende gefahren. Dort gibt es einen Anbieter für Zodiaktouren und einen mit einem ehemaligen Fischerboot. Dort geht es deutlich gemächlicher zu als in den „Touristenorten“. Der Ort liegt etwa 45 Minuten weg vom „Cabot Trail“, den die meisten Urlauber entlang fahren. Ich würde das auch jederzeit wieder so machen.
Bay of Fundy
Die Bay of Fundy ist bekannt dafür, dass sich im Sommer dort die letzten 300-400 Atlantischen Nordkaper (Eubalaena glacialis) aufhalten. Wer diese anschauen möchte, sollte das von Zuhause aus vorbreiten, da man die Art auf Standard-Touren nicht zu sehen bekommt. Man hat dafür im wesentlichen nur drei Möglichkeiten:
- Auf Grand Manan Island eine Whale Watching Tour buchen. Diese Insel liegt tief in der Bay of Fundy, dort werden die Glattwale regelmäßig angetroffen. Risiko: Das Wetter ist dort recht rau, deshalb ist unsere Tour ausgefallen. Außerdem ist die Anreise etwas umständlich (zusätzliche zweistündige Fähre), das muss entsprechend einkalkuliert werden.
- In St. Andrews macht Quoddy Marine gelegentlich spezielle sechsstündige Glattwaltouren, unbedingt rechtzeitig anfragen!
- Auf Tiverton Island gibt es Ocean Explorations, das einem Meeresbiologen gehört. Bei rechtzeitiger Absprache und passendem Wetter würde er zu den Glattwalen rausfahren.
Mehr Möglichkeiten zum Glattwal-Watching konnte ich nicht rausfinden. Beim Organisieren bitte beachten, dass diese Art auf englisch „Right Whale“ heißt!
Für „normales“ Whale Watching gibt es hingegen Anbieter wie Sand am Meer. Normalerweise trifft man auf den Touren Zwergwale (Balaenoptera acutorostrata) und viele viele Schweinswale. Letztere sind so häufig, dass sie auf den Touren sogar tendenziell ignoriert werden. Finnwale (Balaenoptera physalus) trifft man eher auf der westlichen Seite der Bay of Fundy (Ecke St. Andrews), Buckelwale (Megaptera noviangliae) eher auf der östlichen (Digby Neck – Tiverton und Brier Island). Auch Atlantische Weißseitendelfine (Lagenorhynchus acutus) sind möglich.
Wegen Anbietern: Ich war mit beiden oben verlinkten auf „normalen“ Touren unterwegs, und würde beide weiteremfehlen. Quoddy Marine hat ein Boot, dass mir persönlich ein wenig zu groß war (bis 40 Leute), aber vom gesamten Ablauf her gab es da nichts zu meckern. Insgesamt haben aber viele Anbieter einen ganz guten Eindruck gemacht, man sollte das also an der Bootsgröße und dem persönlichen Zeit- und Reiseplan festmachen.
Tadoussac und Umgebung
Ach ja, Tadoussac am St. Lawrence Strom. DAS Wal-Mekka. Der südlichste Punkt, an dem man Belugawale (Delphinapterus leucas) anschauen kann. Nicht zu vergessen die Chance auf Blauwale (Balaenoptera musculus). Ziemlich große Wahrscheinlichkeit für Finnwale, Zwergwale und Buckelwale.
Wer Zeit hat und im Gegensatz zu mir wegen Nebel auch was sieht, kann sich an der Straße 138 zwischen Tadoussac und Les Escoumines am Cap Bon Desir einfach auf nen Felsen setzen und warten. Alle Wale, die in den Strom rein oder wieder herausschwimmen, kommen in der Ecke vorbei. Belugas sieht man von Land aus am Besten, wenn man im Saguenay Nationalpark beim Wandern öfter mal auf den Fjörd schaut. Im St. Lawrence Strom finden sich diese übrigens auch, vielleicht klappt es ja auch am Cap. Das ist auf jeden Fall die kostengünstigste Lösung.
Kommerziell gesehen ist in Tadoussac Whale Watching seit Jahrzehnten bis auf’s Letzte durchorganisiert. Ich war ja schon viel Whale Watchen, aber so große Schiffe für diesen Zweck hab ich noch nirgends gesehen – bis 470 Leute! Insgesamt lagen allein im Hafen von Tadoussac etwa 35 Boote und Schiffe in allen Größen zu diesem Zweck rum, in den Orten drumherum gibt es ebenfalls Touren, da kann ich allerdings nichts weiter zu sagen.
Die Anbieter erschienen mir in Tadoussac total austauschbar (gehören wahrscheinlich eh alle denselben Leuten …) und ich gehe davon aus, dass man im wesentlichen bei allen Anbietern dasselbe zu sehen bekommt. Man sollte auch hier nach Bootsgröße entscheiden oder vielleicht in einen anderen Ort in der Nähe fahren, den der Trubel in Tadoussac ist schon ziemlich groß. Lustig ist, dass es in der Region anscheinend so viele große Wale gibt, dass auf den Touren nicht nur die Schweinswale, sondern auch die Zwergwale vollständig ignoriert werden. 6-8 Meter Länge sind wohl nicht genug, um dort interessant zu sein. 😉
Fazit
Je nach persönlichen Interessen sind alle drei genannten Gegenden super Plätze zum Whale Watching, gut erreichbar und es gibt auch abseits der Wale viel zu schauen und zu unternehmen. Wal-technisch am vielseitigsten ist es in der Gegend um Tadoussac, da sieht man mit ziemlicher Sicherheit die meisten Arten auf einem Haufen. Ich würde es dort aber nächstes Mal eher vom Land aus probieren.
Die Bay of Fundy ist natürlich wegen den Glattwalen interessant, aber auch ansonsten spannend, weil es ja doch einige verschiedene Arten gibt, die man antreffen kann. Sowohl von Nova Scotia aus im Osten als auch von New Brunswick aus im Westen kann man gut auf Beobachtungstour gehen, damit ist sie für viele Urlauber sicher leichter in die Reise zu integrieren.
Das Whale Watching in Cape Breton fand ich jetzt persönlich nicht so spektakulär, da ich Pilotwale schon von Teneriffa kannte (das waren zwar die Kurzflossen-Pilotwale, macht aber vom Zuschauen her keinen so großen Unterschied) und man meist „nur“ diese sieht. Wer in der Gegend ist, sollte aber trotzdem gehen, schön war es trotzdem.
Bei allen kommerziellen Touren gibt es aber immer dasselbe Problem für echte Walfans. Die meisten Leute auf den Schiff sehen nur – überspitzt formuliert – einen großen Fisch. Die Versuchung für den Betreiber, beim ersten Wal, den sie finden zu bleiben und die Leute einfach gucken lassen, ist also groß. Logisch, spart ja auch Kosten. Ärgerlich nur, wenn es für einen selbst der 10. Buckelwal ist, und man gerade in einer Gegend ist, wo es auch den 1. Blauwal gäbe. Jedem, der in der Gruppe reist, Zeit hat und sich mit Walen gut genug auskennen, würde ich daher raten, ein „normales“ Boot mit Kapitän zu mieten und selbst einen ganzen Tag lang auf die Suche zu gehen. Besonders Sportfischeranbieter bieten solche Vermietungen an.
Wegen Tierschutz: Auch wenn an manchen Orten ein ziemlicher Trubel war, hatte ich das Gefühl, dass die Anbieter die Tiere nicht absichtlich bedrängt haben. Im Gegensatz zu meinen Teneriffa-Erfahrungen von vor fünf Jahren waren die Anbieter an sich OK. Ob sich ein Wal vor Tadoussac wirklich entspannt fühlt bezweifle ich wegen den vielen Booten ein wenig, aber da die großen Wale dort ja in Bewegung sind und es nicht immer dieselben paar Tiere erwischt, ist das vermutlich noch zu tolerieren. Die permanent dort lebenden Belugas könnten ein wenig genervt sein, aber ich glaube die Schadstoffbelastung des Wassers ist für sie weiterhin das größere Problem. Außerdem ist die Hälfte des Jahres ja Ruhe (wiederum im Gegensatz zu Teneriffa), und ich denke mal die Wale haben letztenendes auch lieber Boote mit Touristen als Boote mit Harpunen.
Noch ein Wort zu den Fähren: sowohl durch die Bay of Fundy als auch über den St. Lawence Strom fahren Autofähren. Ich habe auch auf beiden Fahrtstrecken Schweinswale und im St. Lawrence Strom auch Belugas gesichtet, allerdings sind die Fähren scheinbar ziemlich laut, so dass diese ziemlich schnell das Weite gesucht haben. Wer eh wegen seiner Route mit der Fähre fährt, sollte also die Augen offen halten, extra mit der Fähre fahren würde ich zum Walbeobachten aber nicht empfehlen, da diese doch recht teuer sind, man aber nicht so viel sieht.
Edit:
Kleiner Tipp an alle Interessierten mit iPhone: Für mich selbst und alle anderen Walfans habe ich die App „Whale Watching“ entwickelt, die über den iTunes Appstore verfügbar ist.
Als App-Logo musste es einfach ein Stundenglasdelfin sein :-). Ich freue mich über Feedback und Verbesserungsvorschläge dazu!
Hallo,
ich habe Ihren Beitrag mit sehr viel Interesse gelesen und fand in sehr informativ. Wir fahren im Sommer nach Kanada und unter anderem auch nach Tadoussac. Ich bin ein großer Walfan und hatte auch schon öfters das Glück sie beobachten zu können (Australien, Alaska, Grönland, Azoren, Südafrika, …). Meine Befürchtung ist das das Abenteuer in Tadoussac sehr touristisch sein wird. Wir wollten (also ich wollte, und meinem Mann wäre nichts anders übrig geblieben ;o)) eigentlich nach Churchill in die Hudson Bay zu den Belugas, aber das würde unseren finanziellen Rahmen sprengen. In Ihrem Artikel über Tadoussac, sprechen Sie mir aus dem Herzen. Der 10. Buckelwal ist natürlich immer noch ein Erlebnis aber ein Blauwal wäre natürlich ein Traum. Belugas habe ich auch noch keine erlebt… Daher hat mich Ihr Tipp ein „normales“ Boot mit Kapitän zu mieten, gleich sehr begeistert. Können Sie mir Anregungen geben wie ich mich am Besten anlegen soll. Kann man das schon von zu Hause übers Internet buchen oder sollte man sich besser vor Ort darum kümmern.
Mit freundlichen Grüßen
Joëlle Schmit
Luxemburg